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zum 150. Todestag von H. Heine am 17.02.2006

in der Albert-Schweitzer-Schule Offenbach, Waldstraße 113
Von Günther Diehl, Vorsitzender Heinrich Heine Club Offenbach

Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Clubfreunde,

Heinrich Heine, dessen 150. Todestag wir heute begehen, wurde am 13.12.1797 in Düsseldorf als Sohn einer jüdischen Tuchhändlerfamilie geboren. Mit 20 Jahren begann er in Göttingen ein Jurastudium und wurde von der dortigen Universität 1821 wegen einer Duellaffäre entlassen. Das Studium wurde nun in Berlin fortgesetzt, wo Heine Zugang zu den literarischen Zirkeln und bekannten Persönlichkeiten des kulturellen und geistigen Lebens fand. Beeindruckt und mit Stolz nahm er auch an Vorlesungen des Philosophen Hegel teil.
1825 promovierte Heine zum Doktor der Rechte. Da Juden in weiten Teilen Deutschlands Berufsverboten unterlagen und ein gesellschaftlicher Aufstieg verweigert wurde, hatte Heine sich nun protestantisch taufen lassen. Er tat dies nicht aus religiöser Überzeugung, sondern um eine „Entreebillet zur europäischen Kultur“, zu bekommen, wie er später betonte. Entgegen seinen Erwartungen erhielt Heine dennoch wegen seiner jüdischen Herkunft keine Chance auf eine Tätigkeit als Jurist und musste bitter erkennen von der bürgerlichen Gesellschaft ausgegrenzt und ausgestoßen zu sein. Schließlich entschloss sich Heine, der Not gehorchend mit etwas anderem seinen Lebensunterhalt zu erwerben und - für seine Zeit völlig ungewöhnlich - sein Brot als Schriftsteller zu verdienen.
Heute spricht Heines Geburtstadt mit Stolz und zu Recht von „seinem großen Sohn und Dichter“. Aber erinnern wir uns: Selbst noch nach 1945 brauchte es in Düsseldorf Jahrzehnte peinlicher Auseinandersetzungen bis man sich endlich durchgerungen hatte Heine ein Denkmal zu setzen und der Universität 1988 seinen Namen zu geben. Dieser Streit um einen der bedeutungsvollsten Dichter nach Goethe in der deutschen Literaturgeschichte ist symptomatisch für die Frage nach einer Beurteilung von Heines Werk und Leben, bei dem sich seit eh und je die Geister scheiden. Kaum einem anderen Poeten und Literaten wurde soviel Unrecht getan, wie gegenüber Heine.
Was Heine als politischen Dichter, Schriftsteller und Journalisten auszeichnete, war sein Grundverständnis, die Feder zu spitzen für die Umsetzung der Ideale der Französischen Revolution von 1789 nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die auch in deutschen Landen seine Verwirklichung finden sollte. Diese Hoffnung verband er auch personell mit Napoleon Bonaparte, den er glühend verehrte. Dort wo sich bald auch demokratischrevolutionärer Widerstand in Deutschland im Vormärz 1848 regte, zeigte sich Heine leidenschaftlich und mit scharfer Zunge solidarisch mit den demokratischen Bewegungen seiner Zeit. Heine versetzte poetische Keulenschläge gegen das von ihm so verhasste preußische Junkertum und dem mit ihm verbündete Klerus. Später schlug er sich im Zuge der beginnenden frühen Industrialisierung literarisch auch an die Seite der aufkommenden Arbeiterbewegung und prangerte ihre schamlose Ausbeutung wirkungsvoll an.
In dem auch als „Weberlied“ bekannten Gedicht nimmt Heine Stellung zur blutigen Niederschlagung des Schlesischen Weberaufstandes vom Juni 1844:

„Im düstern Auge keine Träne,
sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Alt-Deutschland wir weben dein Leichentuch.
Wir weben hinein den dreifachen Fluch.
Wir weben! Wir weben!

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
den unser Elend nicht konnte erweichen,
der den letzten Groschen von uns erpresst
und uns wie Hunde erschießen lässt!
Wir weben!“ Wir weben!“

Wie kaum ein anderer vermochte Heine mit seinen Worten so vortrefflich zu kämpfen: Mit Witz, meisterlicher Ironie und Satire ausgestattet prangert er die sozialen und politischen Missstände an. Seine literarischen Attacken sind berüchtigt und gefürchtet. Heine selbst spart nicht in der Auseinandersetzung mit seinen Zeitgenossen an Zuspitzung und Polarisierung, ja er gab sich literarisch und kunstvoll alle Mühe vermeintliche Gegner mit Spott und Polemik bloß zu stellen. Meist mit gutem Recht und Erfolg und manchmal allerdings auch zu Unrecht und unterhalb der Gürtellinie.
Am schlimmsten für Heine waren jene Denunzianten, die ihre Kritik nicht sachlich, sondern gepaart mit nationalistischen und antisemitischen Scheinargumenten schon zu seinen Lebzeiten öffentlich vortrugen. Auch nach seinem Tod, als es z.B. nach Heines 100. Geburtstagsjubiläum darum ging endlich auch Denkmäler für den großen Dichter zu errichten, bezeichnete der damalige bekannte Literaturkritiker Adolf Bartels 1906 eine solche Anerkennung als „Kotau vor dem Judentum“. Die ersten Heine Denkmäler die dennoch nach 1920 in Hamburg und in Frankfurt aufgestellt wurden, fielen schließlich nur wenige Jahre später der Kulturschändung durch die Nazis zum Opfer und wurden zerstört.
Aufgrund eigener bitterer Erfahrung, dass seine Bücher und Schriften immer wieder preußischer Zensur und Verboten in deutschen Landen unterlag, ja Literatur sogar verbrannt wurde prophezeite Heine in seiner Schrift „Almansor“ und in weiser Voraussicht: „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende Menschen.“ Letztlich landet im faschistischen Deutschland die gesamte demokratische Literatur und die Bücher jüdischer Autoren auf dem Scheiterhaufen. Wenn es einer Lehre aus dem Leben und Werk Heines für die Gegenwart gibt, dann sicherlich dies: Der Entwicklung von Rassismus, und Neonazismus muss auf allen Ebenen entschieden Einhalt geboten werden.
Nach den ersten Versuchen 1821 Gedichte zu schreiben begann Heine 1826 Reisebilder zu verfassen und brach mit allem was zuvor an üblichen Reiseerzählungen geschrieben wurde. Werke wie die „Harzreise“, „Nordsee“ oder die „Reise von München nach Genua“ und die Italienbilder erscheinen als Glanzlichter, all dessen was faszinierende Prosa vermag: Nicht mehr die langweilige Auflistung geografischer Fakten, sondern ein buntes Sammelsurium und literarisches Feuerwerk aus Lyrik, Satire und facettenreicher subjektiver Betrachtungen über Menschen, Weltanschauung, Politik, Kunst und Kultur. Heine gilt deswegen heute auch als Begründer und erfolgreicher Wegbereiter des Feuilletons in Deutschland. So karrikariert Heine z.B. mit köstlicher Satire zu Beginn in der Schrift „Die Harzreise“ die Schilderung über Göttingen:
„ Die Stadt Göttingen, berühmt durch ihre Würste und Universität gehört dem Könige von Hannover, und enthält 999 Feuerstellen, diverse Kirchen, eine Entbindungsanstalt, eine Sternwarte, einen Karzer, eine Bibliothek und einen Ratskeller, wo das Bier sehr gut ist.“ …
„Die Stadt selbst ist schön, und gefällt einem am besten, wenn man sie mit dem Rücken ansieht.“

1827 erschien die erste Ausgabe von Heines „Buch der Lieder“, jenes Werk in dem die Gedichte und Texte des Dichters Weltruhm erlangen. Heine versteht sich selbst in seinem Stil als „entlaufener Romantiker“. Erfolgreich gelingt es ihm Lyrik in einer Sprache zu entfalten, die nicht mehr mittelalterlich verklärt als Geschichten von „Ritterleins und Blümeleins“, sondern in Widerspiegelung des realen Lebens und Alltags und damit auch für jeden verständlich erscheinen. Kunstvoll mit genialer Wortartistik versteht es Heine seine Gedichte über die Liebe – die Sehnsucht und den Schmerz unerfüllter Liebe - die Erotik in der Beziehung zwischen Mann und Frau, menschliche Stärken und Schwächen, sowie das politische Zeitgeschehen, oft gepaart mit köstlicher Ironie und Satire dem Leser, nahe zu bringen. Nicht zuletzt durch bislang rund 10.000 Vertonungen mehr oder weniger berühmter Komponisten wurden Heine Texte musikalisch durch die ganze Welt getragen.
1831 verließ Heine enttäuscht von den gesellschaftlichen Zuständen in Deutschland und fasziniert von den Ereignissen der Juli Revolution in Frankreich seine Heimat und ging ins Pariser Exil. Die Verbreitung von Heine Schriften unterlagen in Deutschland immer wieder der Zensur. 1835 erfolgte durch Bundestagsbeschlusses gegen die Vertreter des so genannten „Jungen Deutschland“, zu denen auch maßgeblich Heine als kritischer Literat angehörte, ausdrückliches Verbot sämtlicher Heine Schriften im ganzen Gebiet von Preußen und Österreich.
1841 heiratete Heine die Schuhverkäuferin Augustine Crescentia Mirat, die er schon 1834 kennen lernte. Mathilde, wie sie von Heine genannt wurde konnte kein Wort deutsch, nicht schreiben und nicht lesen, was dem Dichter sehr gelegen kam, wie er es selbst einmal betonte.
In Paris hatte Heine zahlreiche Kontakte zu allen Größen des französischen Kulturlebens. In den jungen Jahren war er begeistert von den Ideen der sozialistischen Utopisten um St. Simon, von denen er sich später wieder abwendet. Ab 1843 pflegte Heine auch freundschaftliche Kontakte zur Familie von Karl und Jenny Marx, die sich gleichfalls im Pariser Exil befanden. 1844 reiste Heine zum familiären Besuch nach Hamburg und in seine deutsche Heimat. Unmittelbar danach erschien sein Meisterwerk „Deutschland- Ein Wintermärchen“, ein Versepos dass mit Hohn, Spott, Witz und Satire die preußischen Zustände im damalig kulturell verknöcherten Deutschland mit spitzer Feder angriff. Und es war zugleich ein aufrüttelnder Appell des Poeten zum Handeln für soziale Gerechtigkeit, anstatt auf ein besseres Leben im Jenseits tatenlos zu hoffen.

„ Ein neues Lied, ein besseres Lied
O Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.
Wir wollen auf Erden glücklich sein
Und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch
Was fleißige Hände erwarben.“

Den Vorwurf, er sei Vaterlandsverräter und Nestbeschmutzer, da er von Frankreich aus, Deutschland so in den Dreck ziehe, ließ Heine nicht kalt. Er hielt dagegen sein Grundverständnis als Weltbürger und Europäer und forderte beide Länder als Journalist zur Völkerverständigung und zum Frieden auf, anstatt Hass zu predigen und in Kriegsgeschrei und Nationalismus zu verfallen. In zahlreichen Essays, politischen Artikeln, Polemiken, Denkschriften, mit Gedichten und Prosawerken versuchte Heine den Deutschen, Frankreich und den Franzosen Deutschland näher zu bringen. Bedeutsam hierzu sind z.B. die Bücher über „Französische Zustände“ und „ Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“ und „Die romantische Schule“ mit einer kritischen Analyse deutscher Literaturgeschichte.
„Ich liebe Deutschland und die Deutschen; aber ich liebe nicht minder die Bewohner des übrigen Teils der Erde.“, sagt Heine und führt aus : „Wenn wir es dahin bringen, dass die große Menge die Gegenwart versteht, so lassen die Völker sich nicht mehr von den Lohnschreibern der Aristokratie zu Hass und Krieg verhetzen, das große Völkerbündnis, die Heilige Allianz der Nationen, kommt zu Stande…“ … wir benutzen zum Pflug ihre Schwerter und Rosse, und wir erlangen Friede und Wohlstand und Freiheit. Dieser Wirksamkeit bleibt mein Leben gewidmet; es ist mein Amt.“ Im Revolutionsjahr 1848 erlitt Heine einen Zusammenbruch und warf ihn mit 51 Jahren danach für immer auf das Krankenlager. Fast vollständig gelähmt, musste er bis zu seinem Tode in seiner selbst so genannten „Matratzengruft“ verbringen. Obwohl Heines Töne und Worte zunehmend melancholisch und wehmütig wurden, so verlor er bis in seine letzten Tage hinein nicht seine typische Leidenschaft auf Humor, Ironie, Spott und Satire. Die letzten Monate seines Lebens wurde er begleitet von Elise Krisnitz aus Prag, einer großen Verehrerin von Heines Schreibkunst. Zärtlich nannte Heine sie „Mouche“. Sie wurde zu Heines letzte Liebe und zur angebeteten „Lotusblume“, die er freilich wegen seiner Krankheit nur platonisch lieben konnte, was er mit Bedauern und selbstironisch feststellte.

„Worte! Worte! Keine Taten!
Niemals Fleisch geliebte Puppe.
Immer Geist und keinen Braten
Keine Knödel in der Suppe.“

Die letzten großen Werke im Gedichtband „Romanzero“ 1851 und sein politisches Vermächtnis in „Lutetia“ kann Heine nun nicht mehr selbst schreiben und muss einem Sekretär die Texte diktieren. Im Gedicht „Vermächtnis“ im Romanzero glänzt der große Poet noch einmal mit seinen spöttische und ironischen Wünschen an seine mutmaßlichen Feinde:

„ Nun mein Leben geht zu End,
Mach ich auch mein Testament;
Christlich will ich drin bedenken
Meine Feinde mit Geschenken

Diese würdgen, tugendfesten
Widersacher sollen erben
All mein Siechtum und Verderben
Meine sämtlichen Gebresten.

Ich vermach euch die Koliken,
die den Bauch wie Zangen zwicken,
Harnbeschwerden, die perfiden
Preußischen Hämorrhoiden.

Meine Krämpfe sollt ihr haben,
Speichelfluss und Gliederzucken,
Knochendarre in dem Rucken,
Lauter schöne Gottesgaben.“

Heines Biografie, sein literarisches Werk und dichterisches Schaffen verläuft mit vielen Widersprüchen. Deshalb kann Heine keineswegs politisch einseitig vereinnahmt werden, sondern nur als Einheit mit seinen vielen Gegensätzen seines facettenreichen Lebens und inhaltlich vielfältigen literarischem Schaffens aufgefasst werden. Denn so manches, was er in jungen Jahren so leidenschaftlich verfochten und beschrieben hat, erhielt im weiteren Lebenslauf bis an sein dramatisches Ende mitunter seine Gegenrede, wurde relativiert oder auch verworfen.
„Ich gestehe es, ich habe manchen gekratzt und gebissen, und war kein Lamm“ sagt Heine am Lebensende und im Tone der Versöhnung. Aber es wäre nicht Heine, wenn das alles gewesen sei und so fügt er noch hinzu: „Aber glaubt mir, jene gepriesenen Lämmer der Sanftmut würden sich minder frömmig gebärden, besäßen sie die Zähne und die Tatzen des Tigers.“
Heute auf den Tag vor 150 Jahren stirbt Heinrich Heine morgens gegen 5 Uhr in den Armen seiner Pflegerin Catherine. Still, prunklos und ohne religiöses Zeremoniell, ohne Traueransprache findet seine Beerdigung auf dem Pariser Friedhof Montmartre statt, so wie er es gewollt und geschrieben hat:

„Keine Messe wird man singen,
keinen Kadosch wird man sagen,
Nichts gesagt und nichts gesungen
Wird an meinen Sterbetagen.“

 


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